Murat Pascha

Józef Zachariasz Bem wurde 1794 in dem seit der ersten polnischen Teilung 1772 habsburgischen Tarnów in Galizien geboren und sollte sein gesamtes Leben lang ständig zwischen wissenschaftlicher Forschung und militärisch-revolutionärer Tat pendeln; wohl nicht zu Unrecht hat man ihn als einen spätgeborenen „Condottiere der Revolution“ bezeichnet. 1810 tritt er in das napoleonische Warschauer Kadettenkorps ein, im Alter von 18 Jahren nimmt er als Leutnant am Russland-Feldzug teil, 1813 erhält er das Ritterkreuz der französischen Ehrenlegion. Ein halbes Jahrzehnt später finden wir Bem als Hauptmann bei der reorganisierten polnischen Armee und Lehrbeauftragten an der Artillerieschule zu Warschau. Bei Experimenten im Zuge der Einführung einer neuen Rakete erleidet er schwerste Verbrennungen am gesamten Körper, insbesondere aber im Gesicht, das fortan von einer pigmentlosen, hauchdünnen und hochempfindlichen Haut überzogen ist. Dessen ungeachtet, profiliert sich Bem als einer der entschiedensten Gegner der fortschreitenden „Russifizierung“ der polnischen Nationalarmee, wird diszipliniert, arretiert, verbannt. Nach dem Scheitern des polnischen Adelsaufstands geht er via Frankreich 1833 nach Portugal, wo er sich den im Bürgerkrieg befindlichen Liberalen anschließt, und schließlich erneut nach Paris, um seine wissenschaftlichen Studien und publizistischen Tätigkeiten voranzutreiben.
In den Märztagen 1848 taucht Jósef Bem in Lemberg auf, wo er ein Kommando der Nationalgarde übernimmt. Er kommt in Kontakt mit dem k. k. Oberleutnant Wenzel Cäsar Messenhauser, der hier bei der 5. Kompagnie des Infanterieregiments Hoch- und Deutschmeister stationiert ist. Beide werden sich Mitte Oktober in der revoltierenden Reichshauptstadt wiederbegegnen, Messenhauser als Oberkommandierender der Nationalgarde, General-Lieutenant Bem als eine Art militärisch-strategischer Oberbefehlshaber der revolutionären Mobilgarden. Das aufständische Wien vermag sich bis Ende des Monats zu halten; am 29. Oktober verlässt Bem spätnachts das Hofkriegsratsgebäude, um sich in den Gasthof Zum Apfel auf der Wieden zu begeben, von wo aus sich seine Spur in der gespenstisch erhellten Nacht des brennenden Wien verliert – bis er am 1. November in Preßburg mit Lajós Kossuth zusammentrifft und mit der Eroberung Siebenbürgens für die ungarische Revolution beauftragt wird. Mit seiner kleinen Honvéd-Streitmacht gelingt ihm ein ebenso glänzender wie erfolgreicher Feldzug, ehe er mit den ungarischen Aufständischen am 9. August 1849 bei Temesvár gegen die vereinigte österreichisch-russische Übermacht untergeht und sich gezwungen sieht, mit dem Rest seiner Truppen die osmanische Grenze zu überschreiten.

Bem konvertiert (zusammen mit mehr als 70 Offizieren und ca. 6000 ungarischen wie polnischen Soldaten) zum Islam und erhält als Murat (Amurat) Pascha ein hohes Armeekommando sowie den Oberbefehl über Aleppo, wo er im Oktober 1850 pogromartige Übergriffe der muslimischen gegen die christliche Bevölkerung der Stadt gewaltsam niederschlägt. Keine zwei Monate später stirbt der „polnische General“; ein halbes Jahr davor war er in Wien in effigie zum Tode verurteilt und an seiner statt eine Blechtafel an den Galgen geschlagen worden. Sein tatsächliches Ableben ließ sich die k. k. Vertretung in Konstantinopel in einer förmlichen Erklärung bestätigen.

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